Wenn ich träume, dann vom Vergangenen. Ich mag mich dort verirren in Reminiszenz und beigen Wolken. Dystopie und Utopie überlasse ich Hollywood. Nächste Woche wird einer der großen Film-Zeitloops meiner Generation geschlossen. Am 21. Oktober 2015 kommen Doc und Marty McFly endlich in der Zukunft an. Unsere Gegenwart. 26 Jahre hat das gedauert. 26 Jahre habe auch ich gebraucht hier anzukommen.
26 Jahre in die andere Richtung, also die Vergangenheit zurückzukehren, geht hingegen verhältnismäßig schnell. Eine kurze Fahrt über den Berliner Ring, und eine etwas längere auf der B109 reichen schon aus. Zwischen Biohöfen, die mit Straßenschildern für Räucheraal und Kürbisse locken schlängelt sich die Bundesstraße auch durch graue Plattenbauten über Zehdenick und Templin bis nach Greifswald. Unser Ziel erreichen wir irgendwo dazwischen.
Nachdem man das Auto geparkt hat muss man noch eine Weile durch den Wald laufen. Im Angesicht großer Birken erkennen wir wie dunkel dieser Wald an manch anderem Tag gewesen sein muss. Heute scheint jedoch die Sonne und als wir die ersten Gebäude endlich gefunden haben, dreht sie sich schon wieder in Richtung Horizont.
Wir werden hektisch! Es gibt soviel zu sehen! Auf der Suche nach einem Überblick erklimmen wir jede Erhöhung.
Als ich zitternd auf dem sicheren aber 50 Meter hohen Kamin sitze frage ich mich warum ich verrosteten sowjetischen Leitern mehr Vertrauen entgegen bringe als meinem eigenen Körper.
Ich sitze über den Bäumen. Und versteckt unter mir die Garnison Vogelsang. Wir sehen ein Haus und einen weiteren Turm aus dem Wald blitzen. Mehr nicht.
Die Jahre haben die Stadt im Wald gut getarnt. Nadelbäume wachsen durch die Dächer und Gras durch die Betonplatten. Hier wo der Mensch nun fotografiert statt gärtnert, Graffiti sprüht statt Gift spritzt, holt sich die Natur ungehindert zurück was ihr gehört. Es gibt noch Gebäude, die fast unangetastet scheinen, aber über allem liegt der progressive Modergeruch. Und sogar im großen und einst prächtigen Ballsaal steht jetzt allem und jedem die Türen offen.
Mit Ehrfurcht biegen wir wieder ein auf den langen Weg zur Stadt. Eine große Last liegt auf unseren Schultern. Ein Baumstamm. Ich nehme ihn mit in meinen grauen Wedding und mache aus ihm eine Lampe. „Städter“ höre ich den entgegenkommenden Wanderer denken.
Photos/Text: © Daniel Flamme