Stepnogirsk liegt in der Ukraine, nicht weit vom schwarzen Meer entfernt. Die Geschichte von Stepnogirsk ist die vom steilen Aufstieg und einem schnellen Untergang einer Industriestadt. Es ist eine Geschichte von der Globalisierung der Welt und was geschieht, wenn es sich nicht mehr lohnt Brötchen Zuhause zu Backen, sondern am anderen Ende der Welt einzukaufen.
In Stepnogirsk ging es nicht um die Brötchen, sondern um Mangan. Ein Fünftel des Manganvorkommens der Ukraine liegt in Stepnogirsk. In den 80er Jahren gab es in Stepnogirsk alles, was zu einer sowjetischen Vorzeige-Industriestadt gehörte: Viel Arbeit, Leninstatuen und satte Proletarier.
1995 wurden die Mangan-Minen nach einem Regierungserlass stillgelegt und überflutet.
Die offizielle Begründung war, dass das Mangan-Förderprojekt unrentabel ist, weil die Kommunalkosten zu hoch sind.
Doch es ging hier um viel größere Sachen, nämlich um die Mangankonjunktur auf dem großen internationalen Markt. Inoffiziell heißt es, dass durch den Manganabbau in Stepnogirsk die Weltmarktpreise neu definiert werden mussten. Die großen Hauptlieferanten wie Japan, Australien und Brasilien standen vor erheblichen Einbrüchen ihrer Einnahmen. Also musste die Regierung in der Ukraine ein Abkommen zur Regelung der Manganpreise abschließen. Als Konsequenz wurde die Minenschließung in Stepnogirsk vereinbart.
Was nach der Minenschließung geschah, war der typische Verfall einer ganzen Region. Die Plattenbauten wurden leer und „Proletarier aller Länder vereinigt euch!“ Parolen bröckelten von den sozialistischen Fassaden. Das Mangan kauft die Ukraine in Australien ein.
Die wenigen Menschen, die noch in Stepnogirsk geblieben sind, sind dem Alkohol verfallen. Es gibt nur zwei Kioske und eine Straße in der Stadt, die noch befahrbar ist. Ein Gerücht besagt, dass die Menschen in Stepnogirsk alle freilaufenden Hunde gegessen haben. Ob das stimmt, ist nicht nachzuprüfen.
Der Photograph Artjem Nosenko hat die Geisterstadt besucht und sie in Bildern festgehalten.
Text: Anna Livsic
Fotos @ Artejm Nosenko