Durch das Wohnzimmerfenster blicke ich auf meinen Balkon. Er ist stark verwahrlost, der Boden noch vom Herbstlaub übersät. Es gibt keinen Grund für mich ihn zu betreten. Genüsslich blies ich hier einst Rauch in die Kühle einer Septembernacht. Aber mit dem ersten Frost verging mir auch die Lust am Rauchen und jetzt erinnert nur der immer noch volle Aschenbecher auf dem Fenstersims an dieses frühere, unbeschwerte Ich.
Hinter dem Balkon kommt nur Dunkelheit. Meine Wohnungsfester sind nach Norden ausgerichtet und vor dem Haus stehen drei mächtige Ahorne deren kahles Geäst im Winter wie ein Bollwerk erscheint. Eine Mauer zwischen mir und dem Licht. Nicht das es in Deutschland zu dieser Zeit viel davon gebe.
Es ist Februar. Der Trübste aller Monate.
Dem Februar fehlt es an Allem. Er besitzt nicht nur weder vorweihnachtlicher Harmonie noch heimelige Gemütlichkeit. Er lässt auch all dies, was den Winter im Dezember noch romantisierte und erträglich machte, fern und naiv erscheinen.
Auch hat er nichts von der Aufbruchstimmung die sich im März breit macht. Die Lust auf mehr. Sämtlicher Enthusiasmus über das kommende Jahr fallen den langen und kalten Nächten die noch vor einem liegen zum Opfer.
Der Februar ist mir immer schon als ein trüber Monat im Gedächtnis. Jedes Jahr bin ich nach dem Jahreswechsel auf Neue ernüchtert, bedeutet ein Wechsel der Jahre doch keinen der Jahreszeiten. So kommt es, das sich langsam aber stetig eine grau-kalte Mischpoke wie ein Film auf meine Seele legt.
Trotz guter Neujahrsvorsätze steigt mein Alkoholkonsum in dieser Zeit noch weiter. Es ist Zeit sich all dem zu entziehen, den Betonmoloch hinter sich zu lassen. Ich will mich wieder den wahren Freuden des Grossstadtlebens widmen: Die Freude darüber von Zeit zu Zeit die Stadt gegen ländliche Abgeschiedenheit zu tauschen und diese auch schätzen zu können.
Eines Morgens erwache ich in Finnland. Die Luft ist erfüllt von Birkenduft und Rauchgeruch. Auch hier war die Nacht kalt aber ein Feuer hat mich warmgehalten. Ein echtes Feuer. Mit Holz das ich am Tag zuvor selbst kamingerecht gespalten habe.
Ich setze Kaffee auf und beobachte die Sonne am Fenster. Sie steht tief und hat ihren Zenit doch schon erreicht. Gleissendes warmgelbes Sonnenlicht fällt auf mein Gesicht und lässt die kleine Hütte warm und gemütlich erscheinen. Ich sitze am Fenster und lese. Das habe ich seit Monaten nicht mehr getan aber hier lese ich am zweiten Tag auch mein zweites Buch. Am Nachmittag spaziere ich durch den Birkenwald oder gehe Angeln. Abends wenn die Sonne schon lange untergegangen ist, bereite ich die mitgenommenen Lebensmittel zu einer Mahlzeit zu, trinke ein Glas Gin und gehe in die hütteneigene Saune.
Die Finnen haben einen Weg gefunden den Winter nicht nur zu überstehen sondern zu zelebrieren. Wärme und Kälte. Wenig Licht, dafür aber eines das einen für jede kalte, lange Nacht entschädigt.
Könnte ich doch nur bleiben. In meiner Hütte im Birkenwald. In der mutterschößlichen Behaglichkeit. Doch ich habe eine Ahnung. Einen Verdacht. Ich merke wie die Sonne einen Atemzug länger den Horizont streift. Das Dunkel zu Hell und damit auch meine Gemütlichkeit zu Nichte macht.
Der Winter ist tot!! Lang lebe der (finnische) Winter!!
Text/Photos: Daniel Flamme