Wenn Artefakte menschlicher Zivilisation in der Wildnis ihrem Schicksal überlassen werden, wird die Natur sich diese Objekte letztlich zurückholen. Der Prozess des Verfalls abstrahiert den Objekten jeglichen materiellen Wert. Was letztlich bleibt ist eine Geschichte.
Für Dietmar Eckell ist diese Geschichte der Restwert eines Objekts. Mit seinen Fotos organisiert er die Restwerte ganz unterschiedlicher Objekte thematisch. In seiner aktuellen Berliner Ausstellung zeigt er Ausschnitte der einzelnen Projekte.
Happy End
Die von der Natur noch nicht komplett übernommenen Überreste abgestürzter Flugzeuge, bei denen die gesamte Besatzung überlebt hat.
Bild: asleep at the switch. Eine Landschaftfotografie in der sich der höchste Punkt des Fliegers in die schneebedeckten Punkte der Umgebung einfügt und die Wolken die geometrische Fortführung des Rumpfes darstellen.
Lost Track
Einst der Stolz großer Nationen stellen stillgelegte Eisenbahnstrecken heute nur noch Erinnerungsbrücken für ihre glorreiche Zeit vor dem Automobil dar.
Bild: end of summer. Oder auch auf Schienen ins türkise Herz des Dschungels von Vietnam.
Olympic Spirit
Wenige Tage waren sie im Blickfeld der ganzen Welt. Nun, ihrem eigentlichen Zweck beraubt fristen sie ihr Dasein im Schatten ihres kurzen Ruhmes.
Bild: ostgold. 1984 gewann Jens Weissflog beim Ski Weitsprung Gold für die DDR. Die Westdeutsche Presse (er)fand bei dem Titel Gründe für den Erfolg der DDR. Als Weissflog 1994 für die BRD erneut gewann waren diese Stimmen stumm.
Rest in Peace
Im Kalten Krieg waren sie streng bewacht. Nach dem Ende des Konflikts wurden man sich ihrer traurigen Sinnlosigkeit bewusst. Jetzt werden sie totgeschwiegen oder im besten Fall verwahrlost.
Bild: old friend gus. Der abgelegenste Posten des Kalten Krieges in den Westfjorden, Island. 300 Tage im Jahr Orkanböen. Wer hier her kam, tat es nicht freiwillig.
Faithless
Religiöse Stätten in der ganzen Welt die in ihrem Überflüssigem Dasein von der Natur zurückerobert werden.
Bild: mysterious ways (Die Wege des Herrn sind unergründlich) hier wohl er die Wege der Bauern sind unergründlich. Wobei hier wohl Gründe gegen Schnapsgedanken eingetauscht wurden.
Dietmar, in welcher Beziehung steht deine aktuelle Ausstellung mit deinen bisherigen Projekten und siehst du diese mit deiner Ausstellung als abgeschlossen?
‚Restwert’ ist das große Ganze. Der Fokus meiner Serien (Happy End, Lost Track, Olympus Spirit, etc.) liegt darauf. Ich arbeite immer parallel an mehreren Projekten und gehe dabei immer eher land- als themenbezogen vor. Ich bin persönlich viel zu angefixt um das Thema mit einem Bildband für mich abzuschließen. Nein, die Recherche, das Abenteuer zum Objekt zu gelangen und das endgültige Bildresultat sind für mich entscheidend.
Für deine Serien reist du meist in die entlegensten Winkel der Erde um eine stillgelegte Eisenbahnstrecke, ein abgestürztes Flugzeug oder eine verlassene Kirche zu fotografieren. Siehst du dich da als Konservator der Geschichten dieser vergessenen Objekte?
In erster Linie sehe ich mich als Landschaftsfotograf, der fasziniert ist von den Objekten die in der Landschaft eingebettet sind. Hier Bild mit Bergspitzen einfügen Aber ich freue mich wenn der Pilot eines der Bilder mir schreibt: „Danke das du meine Geschichte niedergeschrieben hast! Und das die Geschichte noch weiter leben wird“. Wie jede Fotografie, dokumentiert auch meine. Einer der Flieger ist schon weg. Das Drogenflugzeug das abgeschossen wurde, alle entkommen sind und sich die umliegenden Dörfer das Koks geteilt haben.
Ich freue mich, dass ich da war bevor das Meer es sich genommen hat.
Du planst das Bild und die dazugehörige Reise also im Vorfeld. Kannst du deine Vorgehensweise erklären.
Mein Anfang ist immer die Geschichte. Bei Happy End war mein Anspruch immer der, dass alle Insassen der Flugzeuge überlebt haben und gerettet werden mussten. Davon gibt es nicht viele. Die die in der Nähe der Zivilisation abgestürzt sind, stehen entweder in Museen oder wurden anderweitig abtransportiert. Nur diejenigen Objekte die soweit fernab der Zivilisation liegen, dass sich der Verkaufserlös des im Flieger enthaltenen Aluminiums nicht rechnen würde werden vergessen.
Ich recherchiere das, während das Objekt noch da ist, dann fahr ich dahin, dokumentiere das und füge es letztlich in größere Themenkomplexe ein. Die Bilder dokumentiren auch immer meine persönliche Geschichte, die oft genauso spannend ist, wie die der Objekte, die ich fotografiere.
Der Restwert?
Ja genau, Ich möchte das die Amerikaner dieses deutsche Wort „restwert“ lernen! Diesen immateriellen Wert, wo diese Geschichtskomponente noch drin ist. Die englische Übersetzung residual value kommt an die eigentliche Bedeutung nicht dran.
Du hat ja auch gerade in den USA großen Erfolg. Dein Fotoband zur Happy End Serie wurde mit überwältigender Beteiligung komplett über die Crowdfunding Seite Indiegogo finanziert. Warum denkst du spricht diese Thematik viele Menschen an?
Das Happy End Projekt war ja schon eine sehr moralische Thematik. Liest man das erste Mal über meine Fotografie abgestürzter Flugzeuge erwartet man Desaster und Tod. Ich wollte aber kein Unglück fotografieren, sondern Wunder! Das ist der gleiche Grund warum ich auch ungerne verlassene Arbeitsstätten fotografiere. Das hatte so vorher noch niemand gemacht und in den USA werden solche Thematiken auch dankbar geteilt.
Wie geht es für dich weiter?
Während meines Sommeraufenthalts in Europa habe ich noch einiges vor. Polen, Albanien. Letzte Woche war ich auf Zypern. Dort gibt es Orte die seit 30 Jahren militärisches Sperrgebiet und somit unangetastet sind. Autohäuser mit den unangetasteten Datsuns der 70er Jahre im Schaufenster.
Wie gesagt, meine Serien sind nicht abgeschlossen. Nein, ich recherchiere weiter, das Thema interessiert mich persönlich. Die anderen abgestürzten Maschinen, die, die es noch gibt sind so weit weg, dass es teurer wird dort hinzukommen. Aber letztlich werde ich auch dort hinkommen.
https://www.facebook.com/pages/Dietmar-Eckell-Photography
Öffnungszeiten der Ausstellung:
27.8-12.09.2015 Di.-Fr. 16-20 Uhr, Sa.+So. 14-18 Uhr
Der Fotograf ist vor Ort
Erstererster, Pappelallee 69, 10437 Berlin (Prenzlauer Berg, Ecke Buchholzer Str.)